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Singen als Festspielort

Wie bekannt, hat Seine Majestät sein reges Interesse an diesem vaterländischen Unternehmen, dessen Protektor Sr. Durchlaucht der Fürst zu Fürstenberg ist, vor kurzem schon dadurch bekundet, daß er die Widmung der Hohentwielspiel-Dichtung huldvollst annahm.
Singener Nachrichten vom 7. Mai 1906

Nur wenige Jahre nachdem Singen zur Stadt erhoben wurde, hegte der Berliner Schauspieler und Dichter Rudolf Lorenz große Pläne mit der Stadt unter der idyllischen Festungsruine. Lorenz initiierte an mehreren Orten (u.a. auch in der Schweiz) sogenannte „Volksfestspiele“. Bei diesen Festspielen sollten vaterländische Themen größtenteils von der lokalen Einwohnerschaft auf die Bühne gebracht werden. Die erste Aufführung des von Lorenz für die Stadt unter dem Twiel geschriebenen Stückes „Unter der Reichssturmfahne“ wurde auf den Sommer 1906 terminiert. Unterstützung fand das Projekt vor allem in der Bevölkerung, bei Gastwirten und Händlern, die sich eine gewinnbringende Zukunft als Festspielmekka erhofften. Als Interessensgemeinschaft wurde hierfür 1906 der Verkehrsverein gegründet. Unterstützung fand das Projekt von „Hohentwiel-Festspielen“ auch im Umland mit dem Arlener Fabrikanten Albert ten Brink und dem Konstanzer Hofbuchhändler Ackermann. Ackermann gelang es auch, den Fürsten von Fürstenberg, ein enger Freund des deutschen Kaisers Wilhelm II., als Schirmherr der Festspiele zu gewinnen.

Bau einer Festspielhalle

Im Herbst 1905 beantragte das „Comité für die Hohentwielfestspiele“ den Bau einer Schauspielhalle neben dem Wasserreservoir (auf der Schanz). Nach Plänen des Stuttgarter Architekten Albrecht Bauder entstand eine 2.040 Zuschauer fassende Halle in der Optik einer mittelalterlichen Burganlage. Der monumentale aber wenig massive Bau entstand zwischen Februar und Mai 1906. Weiterhin entstanden Nebengebäude wie ein Restaurationsbetrieb, ein Haupteingangstor und ein Pferdestall für die erst nachträglich eine Baugenehmigung eingeholt wurde. Bereits der Bau verursachte massive Mehrkosten von 35.000 Mark, für die Fabrikant Albert ten Brink aufkam. Die Euphorie wurde noch gesteigert, als kurz vor Fertigstellung der Halle, als schon die Proben mit 200 Mitwirkenden liefen, der deutsche Kaiser Wilhelm II. den Hohentwiel und die neue Halle besuchte. Singen hätte mit den Festspielen damit mehrere wilhelminische Ideale in einem verkörpert: Industrielle Hochleistung verbunden mit patriotischer Kultur unterhalb eines zum Nationaldenkmal stilisierten Hausbergs.

Festspielstadt – ein geplatzter Traum?

Doch die erste Spielzeit über Pfingsten 1906 brachte nicht den erhofften Erfolg. Der große Besucherstrom aus weiter entfernten Orten, die mit der Bahn anreisen sollten, blieb aus. Das Defizit betrug 115.000 Mark. Dennoch hielt man an den Festspielen fest. In den kommenden Jahren kamen wechselnde Stücke auf die Bühne bei denen viele Singener Bürger als Schauspieler und Statisten mitwirkten, als Ritter, Herolde oder als mittelalterliche Bauern mit Ochsenkarren. Auch Kinder spielten mit. Die Mehrkosten übernahm immer wieder ten Brink, in dessen Besitz schließlich die Halle überging. 1913 fanden nur noch Einzelveranstaltungen statt. 1914 wurde ein neuer Anlauf für große Festspiele gestartet, die auch optimistisch stimmten. Nur wenige Wochen nach der Spielzeit 1914 brach der Weltkrieg aus. Die Spiele mussten ausgesetzt werden und das Komitee löste sich 1915 auf. Nachdem ten Brink die Halle und das Areal 1917 der Stadt zum Kauf angeboten hatte, der Gemeinderat allerdings keine Verwendung und keine Finanzierungsmöglichkeit sah, wurde die Halle 1918 abgebrochen.

1921 – 1931: Auf Initiative der „Scheffelgemeinde“ wurden neue Hohentwielspiele, diesmal als Freiluftspiele auf der Festungsruine, initiiert. Mit der Weltwirtschaftskrise und der folgenden Massenarbeitslosigkeit musste der Spielbetrieb schließlich eingestellt werden.

1935 – 1939:  Die Nationalsozialisten unterstützen neue Spiele zur Förderung der „Volksgemeinschaft“. Das Reichspropagandaministerium bezuschusst nun die Freiluftspiele auf der Karlsbastion. Durch Aktionen der KfD (Kraft durch Freude) werden beachtliche Zuschauerzahlen erreicht und auch Schweizer Gäste strömten auf den Singener Hausberg. Mit der Einberufung zahlreicher Schauspieler ab 1939 endete auch dieses nationalsozialistische Festspielprojekt.