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Feste feiern - Die Geschichte hinter Fasnet, Burgfest  Co.

Singen ist wie ein riesiges Puzzle, vielfältig, aber auch gegensätzlich, viele Teile gehören scheinbar nicht zusammen, sind aber doch eins: Nämlich unsere Stadt.- Bürgerin in der Umfrage zur Singener Identität.

 
Die Ambivalenz der Stadt kommt nicht nur im baulichen Erscheinungsbild zum Tragen. Singens Kulturleben ist bunt und ist wohl nicht nur „typisch Stadt“. Der rasante Wandel vom Bauerndorf hin zur Industriestadt, in den vergangenen Jahrzehnten auch zunehmend zur Einkaufs-, Tourismus- und Kulturstadt, hinterließ seine Spuren. Viele Vereine und Traditionen bewahren ein Stück der dörflichen Identität. Die Singener Fasnet hat ihre Ursprünge zum Beispiel im alten Dorf. Die ausländischen Vereine in Singen vermitteln fremde Traditionen und stiften Identität für kommende Generationen. Diese Bandbreite an Vereins- und Festkulturen ist in Singen einmalig. 

Dorf in der Stadt und Stadt im Dorf

Die für eine Industriestadt charakteristische multikulturellen Angebote treffen hier auf die regional-dörflichen und bilden ein einzigartiges Zusammenspiel. Zeitzeugen berichten fast alle davon, dass sie in Singen das Gefühl hatten, sehr offen und herzlich empfangen zu werden. Die Vielfalt der Angebote mache es leicht, sich hier mit seinen Interessen und Begabungen einzubringen. Besonders Traditionsfeste wie das Burgfest, das Stadtfest oder die Singener Fasnet tragen sicherlich zur Integration bei. Man trifft sich, man kennt sich oder man lernt sich kennen. Vielleicht macht es Singen gerade aus, dass sich hier ein Stück Dorf in der Stadt erhalten hat.

S‘ goht degege, Mamme häng de Schurz a d‘ Wand…

Egal ob klein ob groß, ob jung ob alt: Die fünfte Jahreszeit begeistert einen oder man schüttelt nur verständnislos den Kopf. Eines ist aber sicher, die Fasnet bewegt Menschen und sie berührt viele. Als das Stadtarchiv die Bevölkerung zur „Singener Identität“ befragte, gab mehr als die Hälfte der Befragten an, dass die Singener Fasnet das wichtigste „Muss“ im Singener Jahresablauf ist. Die Narrenvereine und darunter führend die Poppele-Zunft wurden als besonders identitätsstiftende Vereine ausgewählt. Die „Hitliste“ typischer Lieder und Sprüche wurde von den Befragten gänzlich mit den Singener Fasnetsliedern gefüllt.

Zunkunftsphantasie beim „Carneval“ 1904: Das Motto der Fasnacht lautete „Im Jahre 2000“. Das Bild zeigt einen Umzug in der Scheffelstraße.

Tradition und Erfindung

Der Ursprung der organisierten Fasnet reicht zurück bis in das Jahr 1860 als sich einige Singener dazu entschieden, die dörfliche Fasnet vereinsmäßig auf neue Beine zu stellen. Damals wurden zu jährlich wechselnden Themen Fasnachtsspiele und Umzüge veranstaltet. Der Narrenverein nannte sich bald nach einer Hegauer Sagengestalt „Poppele-Verein“. Doch den Poppele als jährlich erscheinende Narrenfigur gibt es erst seit den 1930er Jahren. Auch die meisten Traditionsfiguren und Fasnetsbräuche wurden zwischen 1920 und 1960 ins Leben gerufen, als in der wachsenden Stadt die Fasnet immer mehr Zulauf erhielt. Bereits an Martini (11.11.) 1904 war von Einwohnern der Oststadt ein eigener närrischer Ortsteil „Neu-Böhringen“ proklamiert worden, aus dem dann 1905 der Narrenverein hervorging. 1928 folgte mit den Alt-Neuböhringern die Gründung eines eigenen Vereins für die südlichen Stadtteile. Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es dann eine regelrechte Gründungswelle weiterer Singener Narrenvereine: 

Im Umfeld der Gaststätte „Widerhold“ wurde 1946 das „Tiroler Eck“ gegründet. In der östlichen Nordstadt gibt es seit 1955 die „Grabenhupfer“. 1957 wurde die bereits seit Jahren stattfindende Gartenstadt-Fasnacht im Verein „Blumenzupfer“ organisiert. Auch in den folgenden Jahren wurden noch weitere Narrenvereine gegründet. Hinzu kamen zahlreiche Musikvereine, Spielmannszüge und seit den 1970er Jahren zunehmend auch Guggenmusiken, die neben den freien „Schnurrergruppen“ das närrische Treiben bereichern.

Die Geschichte der Fasnet bildet immer auch das soziale Leben ab: Es ist auffällig, dass die Gründung von Fasnetsvereinen auf das Zusammenleben in Quartieren bzw. Stadtteilen zurückgeht. Während lange Jahre eigene Fasnetsveranstaltungen in den einzelnen Stadtteilen stattfanden, konzentriert sich das Spektakel zunehmend wieder auf den dörflichen Kern um das Rathaus. Trotz der Fasnets-begeisterung vieler finden sich nicht mehr die Massen an Besuchern und Organisatoren für die kleinen und vielfältigen Stadtteilfasnachten.    

Heimat – Menschen, Orte, Feste

„Heimat“ ist für viele ein Schlagwort, das eng mit der eigenen Identität verknüpft ist. Die Singenerinnen und Singener identifizieren sich mit ihrer Stadt über Orte und Mitmenschen. Besonders dann, wenn Menschen an besonderen Orten immer wieder zusammenkommen, gemeinsam essen, trinken und feiern, entsteht ein Gefühl von Heimat, genau wie bei einem Familienfest. In Singen gibt es mehrere solche Veranstaltungen und Orte, die Identität stiften. Die Favoriten darunter wollen wir kurz vorstellen.

  • Wie in anderen Städten und Gemeinden auch eröffnet ein Neujahrsempfang den Jahreskalender gesellschaftlich bedeutender Veranstaltungen. Ehemals als Sonntagsmattiné im Bürgersaal abgehalten, findet der Neujahrsempfang seit vielen Jahren an einem Freitagabend in der Stadthalle statt.

  • Die Singener Fasnet ist nicht nur ein fröhliches Straßenfest, sondern hat viele identitätsstiftende Veranstaltungen. So gab es bereits zur Zeit der Stadtgründung zahlreiche Haus- und Vereinsbälle. Eine unglaubliche Vielfalt an Fasnetsveranstaltungen war in den unterschiedlichen Gastwirtschaften und Saalbauten geboten. Heute gibt es immer noch ein paar Haus- und Vereinsbälle. Zu den großen Bällen, zu denen Narren aus dem ganzen Hegau kommen, zählen der „Zunftball“ und die „Singener Fasnetsnacht“ (früher „Bürgerball“). Beides sind Kultveranstaltungen, die in der Scheffelhalle zuhause waren. Den „Narrenspiegel“ bekamen Politik und Gesellschaft schon Ende des 19. Jahrhunderts in Narrenspielen vorgehalten. In Umzugsgruppen und bei Schnurrern wurde pointiert das Narrenrecht ausgeübt. Seit 1957 ist der „Narrenspiegel“ der Poppelezunft eine der größten jährlich stattfindenden Saalveranstaltungen. Mit ehrenamtlichem Engagement füllte neben den Poppele-Narren das Tiroler Eck bis vor wenigen Jahren den Gems-Saal mit ihrem „Gschwätz“. Als eines der ältesten Traditionen aus dem Dorf Singen findet bis heute am Fasnachtssonntag der „Närrische Jahrmarkt“ statt.

    Zunftball in der Scheffelhalle 2020.

  • In enger Zusammenarbeit mit unseren Schweizer Nachbarn findet seit vielen Jahren das Literaturfestival „Erzählzeit ohne Grenzen“ statt. Bei über 60 Veranstaltungen in rund 45 Städten und Gemeinden der Region präsentieren international bekannte Autoren ihre Werke.

  • Auch ein Stadtfest ist bereits über ein halbes Jahrhundert Bestandteil im Singener Festkalender. Seit 1970 initiierte der frisch gegründete City-Ring immer an einem September-Wochenende einen City-Markt. Bereits Im Stadtjubiläumsjahr 1974 wurde dieser Markt zum City-Fest erweitert. Durch die Konzentration des Hohentwiel-Festes auf die Burg mit einer Festwoche im Juli seit den 1990er Jahren erlebte das City-Fest eine weitere Aufwertung und wird seit 1998 im Juni oder Juli als Stadtfest gefeiert. Besonders groß wurde das Stadtfest 2000 aus Anlass der Landesgartenschau und der Landesgymnaestrada gefeiert. Heute wird das Stadtfest von Singen aktiv Standortmarketing organisiert.

  • Seit 1969 gehört der Singener Hausberg auch zur Gemarkung Singen. Aus Anlass der Umgemeindung fand Ende Juni 1969 das erste Hohentwiel-Fest statt. Am Festwochenende nahmen über 25.000 BesucherInnen teil. Das eigentliche Fest wurde mit einem Festumzug und einem Festzelt auf der Offwiese begangen. Zusätzlich gab es ein Burgfest auf der Festungsruine. Bereits 1970 wurde allerdings aus Kostengründen auf das Burgfest verzichtet und nur im Stadtgebiet gefeiert. 1975 initiierten Herbert Berner und Walter Möll das Jazz-Festival auf der Karlsbastion. Diese Jazz-Konzerte entwickelten sich in den folgenden Jahren zum Festival mit zwei Bühnen auf Karlsbastion und unterer Festung. 1980 gelang es dann wieder ein Burgfest zu organisieren, dass mit wenigen Ausnahmen seitdem jährlich tausende Besucher auf den „Hontes“ lockt. Die Schlüsselanhänger, die seit den 1980er Jahren als Eintrittsmarke dienten, sind bis heute an manchem Schlüsselbund zu finden. Während in den ersten Jahrzehnten über zwei, dann über drei volle Wochen hinweg vorwiegend auf der Offwiese gefeiert wurde, beschränkt sich das Hohentwiel-Festival heute auf vier Konzertabende und den Burgfestsonntag.

    Burgfest auf dem Hohentwiel um 1980.

  • Seit über 20 Jahren findet jedes Jahr Mitte September die grenzüberschreitende Museumsnacht Hegau-Schaffhausen statt. Nicht nur Galerien und Museen begeistern mit ihren Angeboten. Auch Vereine, Kirchen und Privatpersonen beteiligen sich und bieten einmalige Einblicke. Kunst, Geschichte, Musik und Performance werden an außergewöhnlichen Orten in nächtlicher Atmosphäre zu einem ganz besonderen Erlebnis.

  • Bereits zum siebten Mal fand im Herbst 2023 eine Singener Theaternacht statt. Ensembles aus Singen und dem Umland spielen an verschiedenen Orten im Stadtgebiet ihre Stücke. An einem Abend lässt sich so die facettenreiche Theaterlandschaft der Stadt erfahren.

  • Als Jahrmarkt in Verbindung mit einem verkaufsoffenen Sonntag findet bereits seit vielen Jahren der Martinimarkt an einem Sonntag um Martini (11.11.) statt. Die Veranstaltung wird organisiert von Singen aktiv Standortmarketing und ist ein Besuchermagnet. Übrigens ist der Martinimarkt eine wiederbelebte alte Tradition: Bereits vor Jahrhunderten trafen sich Menschen um Martini zu einem Jahrmarkt in Singen.