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Krankenhaus, Finanzamt und Co. – Die Amtsstadt nimmt Gestalt An

Das Dorf Singen wurde durch die Stadterhebung „erwachsen“ – und dazu gehörte auch die Ansiedlung staatlicher Behörden und der Bau eines Bürgerkrankenhauses. Das 1895 errichtete Spital am Standort des heutigen Amtsgerichts konnte bereits nach einigen Jahren die Erfordernisse der modernen Gesundheitsversorgung nicht mehr erfüllen, da es beispielsweise nicht über genügend sanitäre Anlagen verfügte. Außerdem war es mit lediglich 50 Betten für die wachsende Stadt einfach zu klein geworden. Bereits 1913 dachte die Verwaltung darüber nach, das Spital auf Grund von Überfüllung zu schließen. Diesen Plänen machte jedoch der Erste Weltkrieg zunächst einen Strich durch die Rechnung, bis die Stadt 1925 trotz der Inflation ein zwei Hektar großes Gelände im Twielfeld für einen Krankenhausneubau erwerben konnte. Am 15. September 1928 wurde hier das neue Krankenhaus mit 124 Plätzen nach den Plänen des Karlsruher Architekten Hermann Billing eröffnet. Der Bau präsentierte sich als kleine Festung mit architektonischen Verweisen auf die Ruine Hohentwiel und das Rondell Augusta. In der Festschrift kommt der neue städtische Stolz deutlich zum Ausdruck: „Am Fuß des Hohentwiel gelegen, (…) vor uns ausgebreitet die in ernster Arbeit aufblühende Stadt Singen (…), liegt das neue Städtische Krankenhaus, (…) ausblickend auf die uns Menschen fernliegende Zukunft.“ Das moderne Krankenhaus entwickelte sich rasch zum medizinischen Magneten für die Stadt und den Hegau.

Blick vom Olgaberg auf das neu erbaute Krankenhaus und die Stadt, 1928.

Das Amtsgericht im ehemaligen Spital. Aufnahme aus den 1930er Jahren

Der Auszug des Spitals aus dem Gebäude in der Alpenstraße ermöglichte die Ansiedlung einer wei-teren Institution, um dem städtischen Ansehen größeres Gewicht zu verleihen: Bereits seit 1909 hatte Singen sich um ein Amtsgericht beworben und da-rum regelrecht gekämpft. Die umliegenden Städte Radolfzell, Engen und Stockach waren hierbei die „Gegner“: Sie befürchteten, dass ein weiteres Amtsgericht in Singen zur Schließung ihrer eigenen Amtsgerichte führen könnte. Daher zog sich die Eröffnung des Singener Amtsgerichts noch bis ins Jahr 1929 hin. Ein Amtsgefängnis an der Hindenburgstraße (heute Erzbergerstraße) ergänzte 1939 die Institution.

Die soziale Zusammensetzung der Bevölkerung änderte sich durch die Ansiedlung der staatlichen Institutionen und dies zog 1923 die Bildung einer Koalition aus Industrie, Handel und Gewerbe für die Eröffnung einer Reichsbanknebenstelle nach sich. Der erste Versuch scheiterte, da in Folge des Umzugs des Finanzamtes von Radolfzell nach Singen keine geeigneten Büroräume zur Verfügung gestellt werden konnten. Die Stadt Radolfzell erhielt daher den Zuschlag. Im März 1928 unternahm der Gewerbeverein Singen-Hohentwiel einen erneuten Versuch mit der Begründung, „(…) dass Singen heute schon mit seinen 15.000 Einwohnern als die wirtschaftliche Zentrale des Hegau- und Seekreises anzusprechen ist (…).“

Erst 1940 konnte eine Niederlassung der Reichsbank in Singen eröff-net werden.

Es sei nur an die, man kann wohl sagen in amerikanischem Tempo vor sich gegangene Vergrößerung der Stadt erinnert, die für sämtliche Bauhandwerker neben reicher Beschäfti-gung vor allem auch einen regen Bankverkehr mit sich brachte
Petition des Singener Gewerbevereins zur Schaffung einer Reichsbankstelle, 1928.

Mit dem Finanzamt wurde 1921 im Enzenbergischen Schloss eine weitere staatliche Institution in der jungen Stadt eröffnet. Auch hier standen die Zeichen bald auf Erneuerung: Neben Radolfzell bewarb sich auch Singen als Standort für einen geplanten Neubau. 1928 fiel die Entscheidung zu Gunsten der Hohentwielstadt, die ein Grundstück gegenüber der Herz-Jesu-Kirche zur Verfügung stellte. Mit Inbetriebnahme im Jahr 1930 entwickelte auch der Platz um die Herz-Jesu-Kirche allmählich ein Gesicht. Die neuen städtischen Einrichtungen konnte man übrigens in dem ab 1908 im Verlag der Singener Nachrichten erschienenen „Adressbuch der Stadt Singen“ nachschlagen.