Städtischer Stolz ohne große Vergangenheit?
Dass gerade Singen eine derartige Entwicklung vom kleinen Bauerndorf im Schatten des Hohentwiels zur modernen Industriestadt durchleben würde, hatte am Beginn des 19. Jahrhunderts noch niemand erahnt. Anders als die historischen Städte Konstanz, Stockach, Radolfzell oder Engen hatte die junge Stadt keine „große“ Vergangenheit. Weder das Ortsbild noch die Bräuche und Traditionen waren besonders „städtisch“. In der jungen Stadt suchte man also eine kulturelle Identität, die die Dorfvergangenheit nicht leugnete, aber auch den Stolz einer Stadt zur Schau trug.
Wappen und Stadtfarben
Zentrales Element einer städtischen Identität sind Wappen und Stadtfarben. Seit dem Mittelalter zierten sie Stadttore, Wehrschilder und Prachturkunden. Sie waren auch Zeichen von Macht und einer gewissen Unabhängigkeit. Viele Dörfer erhielten erst mit dem Ende der Feudalherrschaft ein eigenes Zeichen, dass von dem des bisherigen Ortsherrn abwich. Das erste Siegel der Gemeinde Singen zeigt das Kürzel GS (für „Gemeinde Singen“). Auch die Löscheimer aus dem 19. Jahrhundert tragen dieses Zeichen.
Als die Gemeinde 1895 ein eigenes Wappensiegel beantragte, schlug das Generallandesarchiv Karlsruhe ein zweigeteiltes Wappen mit einem Ring und einem Rüdenkopf vor. Die Wappenelemente waren den Familienwappen der ehemaligen Ortsherren von Enzenberg und von Rost entnommen. Der Gemeinderat lehnte den Vorschlag ab. Ein weiterer Vorschlag wurde ebenfalls abgelehnt.
Erst über einen Monat nachdem Singen bereits die Stadterhebung gefeiert hatte, unterbreitete das Generallandesarchiv einen neuen Vorschlag der nun akzeptiert wurde: Das Wappen zeigt den St. Galler Bären, der in den Händen das Wappen der einstigen Herren von Singen trägt. Aus diesem Wappen leiten sich auch die Stadtfarben ab: Gelb und Blau.
Stadterhebung - ein kleines Fest
„Die Gemeinde Singen ist seit mehreren Jahren in einer aufstrebenden Entwicklung begriffen, die nach sicheren Anzeichen ihren Höhepunkt noch lang nicht erreicht, schon jetzt aber den Charakter des Orts umgewandelt hat. Der Umschwung zeigt sich sowohl in der Zahl und der wirtschaftlichen Lage der Bewohner, insbesondere der Verteilung der Berufsarten und dem Anwachsen der Kapitalkraft als auch in der Schaffung gemeinnützigerEinrichtungen von wirtschaftlicher und kultureller Bedeutung, die noch vor einem Jahrzehnt, bei den damaligen Verhältnissen Singens, undenkbar gewesen wären.“
Schreiben des Großherzoglich-Badischen Bezirksamtes Konstanz an das Badische Innenministerium vom 1. Juli 1899, 10 Gemeindearchiv Singen IV 1/20.