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Alufolie, die es nur in Singener Küchen gibt

Neben Fittings und Maggiflaschen gehört die Alufolie wohl zu den bekanntesten Produkten des alltäglichen Lebens, die eng mit der örtlichen Industriegeschichte verknüpft sind. Und so ist die Alufolie in vielen Singener Haushalten sogar etwas ganz Besonderes gewesen: Eine sehr stabile, „dickere“ Alufolie, an die man nur kommt, wenn man Beziehungen in die Alu hat.

Auch die Verarbeitung von Aluminium in Singen geht auf eine Schweizer Gründung zurück: 1912 begann Robert Victor Neher aus dem thurgauischen Emishofen mit der Herstellung von Aluminiumfolien im Endloswalzen-Verfahren. Wenige Monate nach Gründung des Singener Betriebes beschäftigte Neher in Singen 104 Mitarbeiter. Hauptkunde war die Maggifabrik, die ihre Brühwürfel in Alufolie verpackte. Das Rohaluminium wurde aus der nahen Schweiz bezogen, was allerdings während des Ersten Weltkrieges dazu führte, dass durch ein Einfuhrverbot die Walzen stillstanden.

  • Erst nach dem Ersten Weltkrieg entwickelte sich die Aluminium zu einem wirklichen Großbetrieb. 1916 arbeiteten hier noch 167 Personen, nur 8 Jahre später gab es rund 1.200 Beschäftigte in den Aluminiumwalzwerken. Der Ausbau geschah im Zuge der Erweiterung der Produktpalette. So wurden nun auch Bleche, Ronden, Alubänder und Profile hergestellt und ab 1922 die Alufolien durch Färben und Drucken veredelt. Trotz mehrerer Krisen, die immer wieder wegen schlechter Auftragslage zu einer Reduzierung der Arbeitszeit geführt hatten, erlebte der Betrieb in den 1920er Jahren eine Blüte. Alufolie war zum Verpackungsmittel der „Goldenen Zwanziger“ geworden: Konsumgüter wie Schokolade und Zigaretten wurden nun in Singener Alu verpackt. 

    1937 war das Singener Werk zu Europas größtem Aluminiumwalzwerk geworden. Damit gingen natürlich auch gewachsene soziale Herausforderungen einher: 1929 hatte man eine Pensionskasse, 1934 schließlich eine Betriebskrankenkasse eingerichtet.

    Blick in die Feinwalzerei der Aluminium-Walzwerke 1924.
  • Während die Maggi und die GF bereits kurz nach 1900 Wohnraum für die Belegschaft errichtet hatten, begannen die Aluminiumwalzwerke in den 1920er Jahren Wohnhäuser zur Einrichtung von Werkswohnungen anzukaufen oder zu errichten. Im Osten der Stadt errichtete man 1938/39 weitere 68 Wohnungen und im Gewann „Schnaidholz“ entstand eine Siedlung aus 46 sogenannten „Heimstätten“. Als mit dem Wirtschaftswunder die Mitarbeiterzahl regelrecht explodierte (1961: 4.000 Mitarbeiter), wurden Blöcke mit 1.000 weiteren Wohnungen errichtet. Hierfür wurde eigens eine „Aluminium-Industrie-Wohnbau GmbH“ gegründet. 1973 initiierte man sogar ein Bebauungsgebiet in Mühlhausen. Dort entstanden im Hagenweg rund 40 Fertighäuser.

    Siedlungshäuser der Aluwerke an der Steißlingerstraße, erbaut 1938/39.
  • Durch den enormen Ausbau des Werks, der mit der Aufnahme der „Alu“ in das Aufrüstungsprogramm der Nationalsozialisten noch einmal Fahrt aufnahm, entstand eine riesige Fabrikanlage, die direkt an der Reichsstraße nach Radolfzell lag. Bald rahmten die für damalige Verhältnisse riesigen Produktionshallen die Ortseinfahrt ein. Die Straße behinderte den Werksbetrieb und so wurde 1951 schließlich die mitten durch die „Alu“ verlaufende Bundesstraße verlegt.

    Auch optisch sorgte die Anlage für Diskussionen: Die „nüchterne Zweckanlage der Aluminium-Fabrikstadt“, schrieb die Deutsche Bodensee-Zeitung 1937, sollte durch „Grünstreifen und gärtnerische Anlagen […] eine freundliche Note bekommen.“ Diese „Verschönerung“ war Teil einer NS-Kampagne.

    Was viele nicht wissen: Die heutige Außenwahrnehmung als „blaue Alustadt“ ist eine Folge der Kritik am tristen Anblick der „Alu“, der sich Zug- und Autofahrern bot. Dietrich H. Boesken, der ab 1977 Ge- neraldirektor war, veranlasste die Verkleidung bestehender und neu erbauter Anlagen mit dem charakteristischen blauen Blech.

Oder halt die berühmte Georg Fischer […] und die ehemalige Alusingen […] und Maggi. Das waren die drei großen Firmen, wo man immer jemanden kannte, der dort gearbeitet hat. Entweder am Fließband, oder Schichtleiter, aber man wusste immer, […] die kommen von hier ... 
Zitat aus einem Zeitzeugeninterview

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